Rede von Manfred Gerber, ehem. Mitglied Umweltbund e.V. auf der Hauptversammlung der Bayer AG 2010 zum Insektensterben

Guten Tag, sehr geehrte Damen und Herren,

Mein Name ist Manfred Gerber, ich möchte Ihnen als Mitglied des Umweltbund e.V. einen Überblick zur Situation der Bienenvölker und Nutzinsekten sowie deren Umfeld in Deutschland verschaffen.

Leider ist das Wohl unserer Bienen mit dem Erfolg der Geschäftstätigkeiten der Firma Bayer AG eng verknüpft, denn unsere Bienen sammeln Nektar und Pollen die Ihre Produkte aus dem Pflanzenschutzmittelbereich enthalten, wie lecker!

Wie Sie, meine sehr verehrten Aktionärinnen und Aktionäre sicherlich ahnen können, sind diese Mittel sehr wirksam. So wirksam, dass Pestizidrückstände im Bienenbrot und im Honig unsere Bienen derart schädigen, dass ein Imkern in Koexistenz zur konventionellen Landwirtschaft nicht mehr möglich zu sein scheint.
In diesem Winter 2009/2010 sind nach Schätzungen von Fachleuten des Umweltbund e.V. in Deutschland je nach Region zwischen 30 und 60 % der Bienenvölker verendet. Das sind im Schnitt etwa 20 - 50 % mehr als üblich.

Diese Zahlen zeigen mehr als deutlich, dass die Faktoren, die zum Bienenvolksterben führen, heute andere sind, als vor 20 oder gar 100 Jahren.
Anfang des 20ten Jahrhunderts hielten Imker in Deutschland 4 Millionen Bienenvölker. Vor zehn Jahren war es noch eine Million. In diesem Frühjahr sank die Zahl auf knapp 500000 Bienenvölker. In Anbetracht dessen, dass der Bien als das drittwichtigste Haustier gilt, eine mehr als Besorgnis erregende Zahl.

Wenn Kritikern das Wort gewährt wird, sind die Aktionäre längst schon wieder auf Ihrem Weg nach Hause.

Das Bayer mit den Neonikotinoiden Clothianidin und Imidachloprid die Nutzinsekten unserer natürlichen Landschaften vernichtet, um einige Schädlinge zu bekämpfen, will man als Aktionär nicht hören.

Die größten Umweltsünden resultuieren immer aus Profitgier von Minderheiten, während die Allgemeinheit die Unkosten tragen muß.

Bis ein Skandal aufgedeckt wird, ist das Kind meist schon in den Brunnen gefallen.

Sehr geehrter Vorstand, ich möchte Ihnen nun aufführen, in wie weit die Firma Bayer Ag einen Hauptteil der Schuld an diesem Debakel trägt.

Untersucht man das Bienenbrot, also die Nahrung unserer Bienen, findet man einen Mix aus etwa 50 chemischen Substanzen. Zum größten Teil sind das Rückstände von Pflanzenschutzmitteln, auch von der Firma Bayer AG.
Während vor einem Jahrzehnt diese Gifte gegen Insekten, Pilzkrankheiten, Nagetiere und Unkräuter auf die von Schädlingen betroffenen Pflanzenteile aufgebracht wurden, um bspw. Nutzinsekten nicht zu gefährden, gelangen heutzutage viele Pestizide bequemer Weise über den Boden in alle Pflanzenteile der Nutzpflanze.

Diese Gruppe der systemischen Pflanzenschutzmittel bereitet Bienenzüchtern und Naturschützern auf der ganzen Welt größte Sorgen und ist verantwortlich für eine der größten Umweltskandale durch die chemische Industrie in dieser Dekade.
Die Firma Bayer Ag hat in diesem Sektor die Nase vorn. Insbesondere von den so genannten Neonicotinoiden verkauft die Firma Bayer Ag mehrere Insektengifte mit verheerenden subletalen Nebenwirkungen und richtet damit weltweit erheblichen Schaden an.
Clothianidin, das giftigste dieser systemischen Pestizide war im Jahr 2008 nachweißlich für ein Bienensterben im Süddeutschland verantwortlich, bei dem mehr als 12500 Bienenvölker verendeten. Die Dunkelziffer liegt weit höher.
Wer meint, dass dieses nachgewiesener Maßen sehr bienenschädliche Mittel inzwischen vom deutschen Markt genommen wurde, der irrt sich gewaltig und unterschätzt den Einfluss der Firma Bayer Ag auf die Landwirtschaftsminister der Bundesländer.

Wie konnte es dazu kommen, dass man in unserem Land durch einseitige Interessen einer Industriesparte die Interessen der Imker, deren Arbeit für die nachhaltige Entwicklung unserer Natur extrem wichtig ist, einfach unter den Tisch kehrt?

Vor einem Jahrzehnt war noch die Biologische Bundesanstalt für den Nachweiß der Bienengefährlichkeit eines neu zugelassenen Pflanzenschutzmittels verantwortlich. So wurden zwar die Interessen der Industrie gerne gehört, die Prüfung der Schädlichkeit von chemischen Substanzen wurde aber durch den Bund durchgeführt und verantwortet.

Heutzutage erledigt die Firma Bayer Ag diese Aufgabe gleich selbst. Allerdings mit dem Haken, dass in Ländern, die diese Studien kritisch betrachten, diese Ergebnisse als unwissenschaftlich dargestellt werden und eine Zulassung verwehrt wird.
Es muss also keinen wundern, das ein Mittel hierzulande als bienenungefährlich eingestuft wird, welches in Frankreich oder Italien verboten ist.

Warum haben sie weiterhin auf eine erneute Zulassung dieses Insektenkillers gedrängt, obwohl ihnen bekannt war, dass das Neonicotinoid Clothianidin eindeutig Bienengefährlich ist und in Süddeutschland für mehr als 12500 tote Bienenvölker verantwortlich war.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie aus den USA belegt, dass im schnitt 6,7 chemische Wirkstoffe in Bienen, Bienenwachs, Pollen oder Pflanzenproben gefunden werden. Wie diese unzähligen Giftkombinationen subletal auf Bienen und Nutzinsekten wirken, wird von dem Pflanzenschutzmittelhersteller nicht untersucht.

Meine Damen und Herren,
Hier ist der Fehler im System. Ein zwei Flaschen Schnaps täglich, bringt sie innerhalb 48 Stunden nicht um. Macht sie auf Dauer aber sicher nicht überlebensfähig. So verhält es sich mit den Versuchen, die die Firma Bayer AG zur Bienengefährlichkeit durchführt und vom Julius Kühn Institut geheim halten lässt. Subletale Wirkungen und Kreuzwirkungen auf Nutzinsekten werden ignoriert und damit diese nützlichen Helfer gleichsam aus Profitinteressen geopfert.
Da nützt es auch nichts, Herr Wenning, wenn Sie wieder die Märchen von den Bienenkrankheiten erzählen. Machen Sie erst mal Ihre Untersuchungen zu subletalen Wirkungen und Kreuzwirkungen Ihrer Insektizide, denn wir gehen davon aus, dass daraus diese Krankheiten resultieren.
Wen wundert da noch, dass sie in den USA als Werbung für Ihr neues Produkt Movento auf Feldversuche mit Bienenvölkern hinweißen, bei denen gerade noch 12,5 % der Versuchsvölker nach 8 Monaten überlebt haben.

Sehr geehrter Vorstand, sind das die Zustände, die wir Imker in Deutschland in Zukunft zu erwarten haben, wenn unsere Landwirte weiterhin zu Pflanzenschutzmitteln der Firma Bayer Ag und CO greifen?

Auch in Nordamerika erlitten Sie mit Ihrer Zulassung für Movento Schiffbruch, nachdem durchsickerte, dass die Risiken für Bienen bei der Zulassung gar nicht berücksichtigt wurden.


Waren Sie da nicht etwas voreilig? Noch gibt es Bienen, die Sie im Interesse der Menschheit und unserer Nachkommen berücksichtigen sollten.

Doch zurück zum Nutzinsekten- und Bienenkiller Nummer 1 , dem Clothianidin der Firma Bayer AG.
Während herkömmliche Pflanzenschutzmittel auf den jeweils befallenen Pflanzenteil gesprüht werden, um dort gegen bspw. Schadinsekten zu wirken, vergiftet man mit dem systemisch wirkenden Clothianidin zuerst den Boden, um den Wirkstoff in die Pflanze zu bekommen.
Zu Recht wurde diesem in kleinsten Dosen wirksamen Nervengift im letzten Jahr die Zulassung für den Maisanbau entzogen. Doch das nützte nichts.
Das Neonicotinoid wurde bei anderen landwirtschaftlichen Kulturen weiterhin angewendet. Eine Katastrophe für die Umwelt, denn Clothianidin reichert sich je nach Bodenart nach mehrmaligen Anwendungen im Boden an und wird nur sehr langsam abgebaut.
Hier lagert das Gift mit einer Halbwertszeit von bis zu drei Jahren, um alle nachwachsenden Pflanzen für Insekten wiederum in Giftpflanzen zu verwandeln.

Warum haben Sie, Trotz der eindeutig nachgewiesenen Bienenvolkgefährlichkeit und aufgrund der schlechten Abbaueigenschaften, das Mittel nicht sofort vom Markt genommen?

Aufgrund des grenzenlosen Vertrauens unserer Landwirtschaftsminister in die deutsche Chemieindustrie wurde in diesem Frühjahr sogar eine Sonderzulassung für Santana, ein Clothianidingranulat erteilt, um dieses Insektengift wieder für den Maisanbau verfügbar zu machen.
Trotz Protest aller Imkerverbände, trotz Verbot dieser Insektizide in bspw. Frankreich und Italien und im Bewusstsein der extrem hohen Rückstandsgefahr, bieten Sie den Wirkstoff weiterhin als bienenungefährliches Insektizid an und nehmen zudem eine Verseuchung der Böden in Kauf.

Liebe Aktionäre, rechtfertigt der Profit, dass man die Natur dauerhaft mit Giftstoffen belastet und damit Umwelt und den Menschen Schaden zufügt?

In Gebieten in denen die Neonicotinoide der Firma Bayer AG sich seit mehreren Jahren im Boden angereichert haben, überleben Bienenvölker kaum länger als ein halbes Jahr. Hummeln und andere Nutzinsekten kann man an einer Hand abzählen, wenn man noch welche findet.
Wie es um das Leben unterhalb der Bodenkrume steht, können Sie sich denken.

Schießen sie nicht weit über das Ziel hinaus, wenn Sie ganze Landschaften mit Ihren Insektiziden fast Insektenleer machen, um einige Schadinsekten an Maispflanzen zu töten, die man auch mit simplem Fruchtwechsel vermieden hätte?

In den USA verursachen die seit 2006 alljährlich auftretenden Bienenvolk-verluste von über 30 % einen volkswirtschaftlichen Schaden an Pflanzen und Früchten in Wert von etwa 15 Milliarden Dollar.
Mittlerweile deuten alle Untersuchungen darauf hin, dass das in der Nahrungskette der Nutzinsekten gefundene Grundrauschen aus Agrochemikalien letztlich für diese Unkosten verantwortlich ist.

Wenn wir in Europa in Zukunft weiterhin von den Vorzügen der Nutzinsekten und deren enormer Dienstleistung profitieren wollen, darf das Ministerium für Ernährung Landwirtschaft und "Verbraucherschutz" der Firma Bayer AG nicht weiterhin einen pauschalen Persilschein ausstellen, sondern muss wie unsere fürsorglichen Nachbarländer Gifte und deren Verträglichkeit selbst prüfen und darüber entscheiden.
Subletale Wirkungen und Kreuzwirkungen von Pflanzenschutzmitteln dürfen dabei nicht weiterhin ignoriert werden.
Die Biene, sowohl Wild- als auch Honigbiene muss als Leittier einer intakten Kulturlandschaft gelten.

Aus Sicht des Umweltbund e.V. ist es bereits 5 nach 12. Um in Zukunft ein großflächiges Aussterben der Bienen und des Nutzinsektenbestandes und ein damit verbundenes Artensterben zu verhindern, fordern wir daher das sofortige Verbot aller systemischen Pestizide, denn

Diese Erde gehört nicht uns, wir haben sie von unseren Nachkommen geliehen.

Danke

Manfred Gerber, 30.4.2010 Bayer Hauptversammlung